
Die Windelfrei-Methode: Hilfreiche Tipps für den Einstieg
Wenn man an den riesigen Berg von Windeln denkt, der im Laufe eines Kinderlebens so entsteht, klingt die Vorstellung, ganz ohne diesen auszukommen, ganz schön verlockend. Doch tatsächlich ist windelfrei nicht das bloße Weglassen von Windeln. Es ist viel mehr!
Windelfrei bedeutet Kommunikation, Nähe, Beobachten und Vertrauen. Es kann dem Baby helfen bei Hautproblemen im Windelbereich, bei Bauchweh und anderen Unruhen. Es spart enorm viel Geld und Müll (beziehungsweise Wäsche, wenn man mit Stoffwindeln wickelt). Und das Beste: Um windelfrei zu praktizieren, brauchst du absolut nichts.
Was ist windelfrei?
Anders als man zuerst vielleicht denken mag, heißt windelfrei nicht automatisch, keine Windeln mehr zu verwenden. Man kann sie komplett weglassen, muss es aber nicht. Nur sind die Windeln keine am Körper getragene Toilette. Sie stellen vielmehr eine Art Rückversicherung dar, falls die Kommunikation zwischen Eltern und Baby über die kindlichen Ausscheidungsbedürfnisse einmal nicht funktioniert.
Darum geht es in einem windelfreien Alltag nämlich: Die Signale seines Babys über sein Bedürfnis, “Pipi oder Kacka” machen zu müssen, wahrnehmen, sie deuten lernen und alsbald darauf reagieren. Denn lang aufschieben lässt sich so ein Babybedürfnis auch mit der Windelfrei-Methode nicht.
Grundlegend für die Windelfrei-Methode ist die Annahme, dass selbst Neugeborene schon auf ihre eigene Weise äußern können, dass sie “mal müssen”. Genauso wie sie Hunger, Müdigkeit oder andere Bedürfnisse mitteilen. Nur wenn diese Signale ungehört bleiben, landen die Ausscheidungen in der Windel, und das Baby lernt, in die Windel zu machen – ein Verhalten, das wir ihm später wieder abtrainieren wollen.
Beim kleinen oder großen Geschäft nach der Windelfrei-Methode wird das Baby über der Toilette, einem Töpfchen oder auch einfach am Wegesrand (viele Orte sind möglich) abgehalten und bekommt die Rückmeldung, jetzt “loslassen” zu können. Diese Rückmeldung ist ein antrainiertes Schlüsselsignal, das alles Mögliche sein kann – ein artikuliertes “Pssssch” oder “Pipi” oder auch einfach nur ein Pusten auf den Kopf.
Die Vorteile der Windelfrei-Methode
Windelfrei bringt viele Vorteile mit sich:
- Weniger Müll und Wäsche – Pro Kind können 6.000 Windeln oder noch mehr verbraucht werden, was für immense Müllberge (selbst Eco-Windeln sind ein Fall für den Restmüll) oder jede Menge Wäscheladungen im Falle von Stoffwindeln sorgt. Die Windeln ganz oder auch nur teilweise wegzulassen, kann einiges an Müll oder Wäsche einsparen und so die Umwelt erheblich entlasten.
- Zufriedenere Babys – Viele Unruhen oder Quengelphasen lassen sich auf ein Ausscheidungsbedürfnis zurückführen. Geht man diesem direkt nach, ist das Baby schnell wieder glücklich.
- Bessere Hautgesundheit – Windelfrei-Babys haben viel seltener oder nie einen wunden Po im Gegensatz zu Babys, die Windeln tragen. Die in Wegwerfwindeln enthaltenen Kunststoffe und Lotionen schädigen auf kurz oder lang die zarte Babyhaut und sind nicht selten die Ursache für Windeldermatitis.
- Weniger Verdauungsprobleme – Da es sich in einer Abhalteposition leichter ausscheiden lässt als beispielsweise im Liegen, kommt es bei Windelfrei-Babys viel seltener zu Verstopfungen oder Ähnlichem.
- Weniger Harnwegsinfekte – Die Ausscheidungen bleiben nicht am Körper, was bei genauerer Überlegung viel sauberer und natürlicher ist, als eine Windel darum zu wickeln. Windelfrei-Babys haben deswegen zum Beispiel viel seltener einen Harnwegsinfekt.
- Bessere Körperwahrnehmung – Windelfrei-Babys können öfter nackt oder leicht bekleidet sein, wodurch sie sich uneingeschränkter bewegen können.
- Einfach eine Urinprobe abgeben – Urinproben beim Kinderarzt sind kein Problem mehr mit erprobten Windelfrei-Babys, die schon mühelos in einen Becher pullern können.
- Geld sparen – Was 6.000 Windeln kosten – egal ob Wegwerf- oder Stoffwindeln – möchte man sich eigentlich gar nicht ausmalen. Ohne Windeln lässt sich also richtig Geld sparen.
- Spontaneität und Flexibilität – Mit Baby unterwegs zu sein, bedeutet meist jede Menge Gepäck. Wenn die Windeln teilweise oder ganz wegfallen, lässt es sich viel spontaner rausgehen oder verreisen. Unterwegs muss dann nicht immer nach dem nächsten Wickeltisch Ausschau gehalten werden, einfache Toiletten sind genauso nutzbar.
- Früher komplett trocken – Für Windelfrei-Babys ist es vollkommen normal, ihre Ausscheidungen außerhalb der Windel zu erledigen. Sie sind an die Örtlichkeiten des Toilettengangs genauso gewöhnt wie an typische Ausscheidungspositionen und die Funktion ihrer Beckenbodenmuskulatur. So sind Windelfrei-Babys meist auch früher trocken, obwohl das nicht das eigentliche Ziel der Windelfrei-Methode ist.
- Gestärkte Eltern-Kind-Bindung – Auf die Signale deines Kindes zu achten und (richtig) darauf zu reagieren, fördert eine gute Kommunikation.
- Intuitionstraining für die Eltern – Nicht immer lässt sich genau sagen, warum man als Eltern jetzt gerade das Gefühl hatte, sein Baby abhalten zu müssen. Die Windelfrei-Methode trainiert Eltern, sich auf dieses Gefühl wieder verlassen zu können.
- Stärkeres Kompetenzempfinden – Das Selbstbewusstsein der Eltern sowie des Kindes wird gestärkt, da sie lernen, kompetent Bedürfnisse zu äußern beziehungsweise Äußerungen über Bedürfnisse richtig zu deuten und zu befriedigen.
Wie fange ich am besten mit windelfrei an?
Die Windelfrei-Methode klappt nicht von heute auf morgen und auch nicht immer einwandfrei. Stetig verändert sich das kleine, wachsende Menschlein, und dementsprechend verändern sich auch seine Gewohnheiten. Die folgenden drei Phasen können jederzeit von vorn begonnen und wiederholt werden, sofern Bedarf besteht.
1. Die Beobachtungsphase
Der beste Einstieg in die Windelfreiheit ist, die Windel wegzulassen – so einfach es klingt. Ohne Windel ist es am leichtesten, die Ausscheidungen seines Kindes zu registrieren und so durch aufmerksames Beobachten eventuell schon erste Signale wahrzunehmen, mit denen das Baby sein Ausscheidungsbedürfnis kommunizieren möchte.
Diese Signale zur Ausscheidungskommmunikation können zum Beispiel sein:
- Quengeln oder brummen
- Das Gesicht verziehen
- Den Blick in sich kehren (“Anrufbeantworter”-Blick)
- Ruhig werden/innehalten
- Plötzliche, schnelle Bewegungen
- Aufschrecken
Während das Baby Pipi oder Kacka macht, ist es wichtig, einen Schlüssellaut von sich zu geben (zum Beispiel “pssssch” oder “pipi”). Nach mehrfacher Wiederholung dieser Situation verbindet das Baby den Laut mit seiner Ausscheidung, was man sich später beim Abhalten zunutze machen kann. Um eine völlige Verschmutzung der Wohnung muss man dabei übrigens nicht fürchten. Die ersten Urinmengen sind so klein, dass eventuelle Flecken leicht beseitigt werden können.
Tipp: Untergelegte Tücher, Decken oder ausgediente Handtücher schützen für den Anfang die Fläche, auf denen das Kind liegt, und können schnell ausgetauscht werden.
2. Das erste Abhalten
Nach der Beobachtungsphase kann man versuchen, das Kind über einem Töpfchen oder einem anderen Gefäß mit großer Öffnung abzuhalten.
Je nach Alter und Körperbau des Kindes sind verschiedene Abhaltepositionen sinnvoll. Bei Neugeborenen müssen der Rücken und der Kopf noch gestützt werden, weswegen eine liegende Position im Arm des Erwachsenen (ähnlich wie beim Stillen) sich am meisten anbietet. Etwas später kann das Kind in den Kniekehlen oder den Oberschenkeln in einer hockenden Position abgehalten werden, wobei sein Rücken noch am Oberkörper des haltenden Erwachsenen gestützt wird. Stellt man sich dabei vor das Waschbecken, ist die Höhe auch für den eigenen Rücken sehr angenehm.
Genauso ist es möglich, mit untergeklemmtem Töpfchen beim Stillen, im Sitzen mit dem Töpfchen samt Baby auf dem Schoß, mit einem hockenden oder stehenden Baby auf der Toilette oder auch mit dem Baby unter dem Arm am Straßenrand abzuhalten. Alles, was funktioniert, ist möglich.
3. Routine beim Abhalten
Mit der Zeit entwickelt sich zwischen dir und deinem Kind eine richtige Windelfrei-Routine, weil du dank Intuition erkennst, wann das Kleine muss. Intuition ist sowieso der sicherste Weg, mit seinem Baby über dessen Ausscheidungsbedürfnisse zu kommunizieren.
Daneben gibt es noch einige “beliebte” Zeiten, nach denen du dich zum Beispiel richten kannst:
- nach dem Aufwachen
- vor und nach dem Essen
- beim und nach dem Stillen
- beim Von-draußen-Reinkommen
- nach dem Herausnehmen aus dem Tragetuch
- in gewissen Abständen (Neugeborene machen teilweise noch etwa alle zehn Minuten Pipi, nach zwei bis vier Monaten werden die Abstände aber schon größer – vor allem nachmittags – von 30 Minuten bis hin zu einigen Stunden.)
Besonders wichtig ist, dass der windelfreie Umgang mit dem Baby immer zwanglos, geduldig und ruhig verläuft. Es geht nicht darum, dem Kind etwas beizubringen, sondern eher darum, als Eltern die Signale seines Kindes besser deuten zu lernen. Bei Pannen reagiert man deshalb am besten ganz neutral, kommentiert mit einem “Oh” und wischt das Malheur auf.
Hilfsmittel für den windelfreien Alltag
Gerade bei den ganz kleinen Babys sind die Abstände zwischen den Pinkelpausen noch ziemlich kurz. Ein Grund mehr, das An- und Ausziehen möglichst schnell und unkompliziert zu gestalten. Dafür gibt es besondere Kleidung, wie Windelfreihosen mit Schlitz (Splitpants) oder mit Öffnung, worüber auch Stoffwindeln getragen werden können, Beinstulpen (Babylegs) als Hosenersatz und lange Oberteile oder Nachthemden, die im Gegensatz zu Bodys nicht erst aufgeknöpft, sondern nur hochgezogen werden müssen.
Neben der richtigen Kleidung sind natürlich auch jede Menge Decken, Tücher oder ausgediente Handtücher als Unterlagen sinnvoll. Nützlich können auch eine abwischbare Krabbelmatte und ein Nässeschutz für die Matratze sein. Bei der Wahl des richtigen Töpfchens kann man entweder direkt auf ein für die Windelfrei-Methode entworfenes Asiatöpfchen zurückgreifen oder aber ein Töpfchen wählen, bei dem ein kleineres Innentöpfchen herausnehmbar und so ebenfalls als Asiatöpfchen nutzbar ist. Wer weniger neu kaufen möchte, ist mit einer alten Schüssel oder einer breiten Dose mit Deckel (ideal für unterwegs) aber genauso gut beraten.
Hinweis: Sollte dich die Windelfrei-Methode zu sehr unter Druck setzen oder für Stress bei der ganzen Familie sorgen, ist sie möglicherweise einfach nicht das Richtige für dich. Dann ist es überhaupt nicht schlimm, doch wieder auf Windeln umzusteigen. Auch da gibt es umweltfreundliche Wickelsysteme, und zu einem späteren Zeitpunkt nochmal neu in die Windelfrei-Methode einzusteigen, ist auf jeden Fall möglich – wenn auch schwieriger, je konsequenter das Baby bereits das In-die-Windel-Machen verinnerlicht hat.
Wenn du noch mehr über die Windelfrei-Methode lesen möchtest, ist folgendes Buch sicher interessant für dich:
Welche Erfahrungen haben du und dein Baby vielleicht schon mit der Windelfrei-Methode gemacht? Schreib es gern in einen Kommentar unter dem Beitrag!
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