
Aussterbende Brotsorten retten und Rezept für Pfennigmuckerl
Heutzutage muss alles schnell gehen. Fastfood, Coffee to go, Fertiggerichte, Convenience food, egal wo hin man schaut. Kein Wunder, dass immer mehr Bäckereien auf Fertigmehlmischungen zurückgreifen, in denen billige Backtriebmittel, künstliche Aromen und verschiedene Mehlsorten schon vermischt in den Backstuben angeliefert werden.
Es gibt nur noch wenige Bäckereien, die sich der traditionellen Backweise mit dem langwierigen Prozess der Teigherstellung widmen, denn das Endprodukt unterliegt dem Preisdruck der Konkurrenz von Supermärkten und Backshops.
Darunter leidet auch die Vielfalt des Angebots. Viele Brotsorten sind aus den Bäckereien verschwunden. Ich kann mich noch an Eiweckerl erinnern (auch Schnittwecke, Eiersemmel oder Milchbrot genannt). Ein Weizenmehlbrötchen mit einer echt irren, hauchdünnen und glatten Kruste. Es existiert nicht mehr. Benötigt wurde unter anderem Milch als Zutat, die heute in vielen Rezepten durch Wasser ersetzt wird. Logisch, dass der Geschmack entweder verloren geht, oder durch künstliche Aromen ersetzt wird. Auch die typisch regionalen Maurerlaiberl wie Schusterbuam, Maurersemmeln, Riemersche oder Pfennigmuckerl sind von Zeit- oder Zutateneinsparungen betroffen und finden sich in der Liste für aussterbende Nahrungsmittel.
In diesem Beitrag zeige ich dir, was du gegen das Aussterben von alten Brotsorten unternehmen kannst und stelle dir ein wundervolles Rezept für leckere Pfennigmuckerl vor.
Bäckereikultur schützen
Die Arche des Geschmacks setzt sich für den Erhalt aussterbender Sorten und für Biodiversität ein, ihr Slogan ist:
“Essen, was man retten will!”
Ein Blick auf die überregionale Sammlung der „Arche-Passagiere“ hilft, um regionale Besonderheiten und selten gewordene Spezialitäten zu unterstützen.
Immer mehr jahrhundertealte Bäckereien schließen. Mit ihnen stirbt auch eine Zunft und Tradition qualitativ hochwertiger Nahrungsmittel, abwechslungsreicher Rezepte und Backgeheimnisse.
Was kannst du konkret gegen dieses Artensterben und Verschwinden der Backstuben tun?
- Konsumiere weniger Aufbackwaren aus Tiefkühltruhen, Supermärkten und Aufbackshops.
- Mach dir bewusst, was in deiner Region einst häufiger anzutreffen war und frage diese Produkte in Läden nach.
- Hilf dabei, eine Liste an aussterbenden Brotsorten in weiteren Regionen aufzubauen und melde sie der Arche des Geschmacks.
- Begeistere dein Umfeld von diesen Fundstücken und rege damit zum Kauf an.
- Suche nach Rezepten zu diesen aussterbenden Nahrungsmitteln und teile sie, wo auch immer du kannst.
- Backe diese Rezepte nach und genieße die Besonderheit und Abwechslung.
Auf der Suche nach den verschollenen Eiweckerl bin ich immerhin noch auf ein Rezept für selten gewordene Pfennigmuckerl gestoßen. Es macht deutlich, wie aufwendig solche Brotteige sein können. Der Geschmack belohnt aber jeden Aufwand!

Rezept für Pfennigmuckerl
Zwei Teige, ein Sauerteig und ein Hefeteig werden hierfür miteinander verarbeitet. Weil die Teige über Nacht ruhen, verteilt sich die Arbeitszeit und lässt sich gut in den Alltag integrieren. Für den Sauerteig ist zusätzlich ein Roggenanstellgut notwendig, das drei Tage vorher selbst angesetzt oder auch als fertiges Produkt erworben werden kann.
Wer schon einmal einen Hermannteig gefüttert hat, weiß, dass dieses Ansetzen nicht wirklich Arbeit bedeutet. Er macht sich quasi von allein.
1. Anstellgut für den Sauerteig herstellen
Das Roggen-Anstellgut benötigt:
- 1. Tag: 25 g Roggenmehl Typ 1150 und 25 ml lauwarmes Wasser
- 2. Tag: 50 g Roggenmehl Typ 1150 und 50 ml lauwarmes Wasser
- 3. Tag: 100 g Roggenmehl Typ 1150 und 100 ml lauwarmes Wasser
- Holzlöffel
- großes Glas oder Schüssel
- zum Zudecken Teller oder Frischhaltefolie (nachhaltiger geht es mit dem selbstgemachten Wachstuch)
Und so entsteht ein solcher Anstellteig:
- Am ersten Tag werden die Zutaten miteinander verrührt und die breiähnliche Masse 24 Stunden abgedeckt an einem warmen Ort zum Ruhen gestellt.
- Am nächsten Tag zuerst das Wasser einrühren, dann Mehl in kleinen Portionen zugeben und vermischen. Den Ansatzteig wie gehabt gehen lassen.
- Am dritten Tag riecht der Teig schon angenehm säuerlich und Gärungsbläschen sind sichtbar. Sollte der Teig unangenehm sauer riechen oder sonderbare Verfärbungen oder Schimmel aufweisen, ist er nicht verwendbar. Das ist aber äußerst selten der Fall.
- Der Teig wird wieder mit den Zutaten gefüttert und ergibt eine klebrige Masse. Abgedeckt ruht er nochmals 24 Stunden und ist am nächsten Tag für deinen Sauerteig einsatzfähig.
- Die nicht verwendete Menge kannst du einfrieren oder für 6 Tage im Kühlschrank lagern, bevor du sie erneut mit 20 g Roggenmehl und 20 ml Wasser vermischt und 24 Stunden ruhen lässt. So hast du jede Woche einen fertigen Ansatzteig zum Brotbacken vorrätig.
2. Sauerteig und Hefeteig für Pfennigmuckerl herstellen
Für den Sauerteig benötigst du:
- 120 g Roggenvollkornmehl (hat keine Typenbezeichnung)
- 120 g Wasser (Zimmertemperatur)
- 12 g Roggenanstellgut
Für den Hefeteig sind diese Zutaten notwendig:
- 100 g Weizenmehl Typ 1050
- 100 g Wasser (Zimmertemperatur)
- 1 g frische Hefe
Die Teige werden wie folgt hergestellt:
- Die Zutaten des Sauerteigs miteinander verrühren und über Nacht (16-18 Stunden) an einem warmen Ort reifen lassen.
- Für den Hefeteig wird Hefe in Wasser aufgelöst, mit Mehl vermischt, mit einem Geschirrtuch abgedeckt und für zwei Stunden an einem warmen Ort zum Gehen gestellt.
- Über Nacht kann der Hefeteig zugedeckt im Kühlschrank bis zu seinem Einsatz warten.
Der Muckerlteig braucht noch folgende Zutaten:
- fertigen Sauerteig
- fertigen Hefeteig
- 210 g Weizenmehl Typ 1050
- 120 g Roggenmehl Typ 1150
- 140 g Wasser (Zimmertemperatur)
- 8 g frische Hefe
- ¼ TL oder 5 g gemahlenen Kümmel (schmeckt auch ohne lecker)
- 8 g Roggenmalzpulver
- 10 g Backmalz
- 10 g Salz
Zum Backen: Etwas Wasser zum Schwaden und 100 ml Wasser in einer ofenfesten, flachen Backform oder einem Backblech mit hohem Rand.
3. Pfennigmuckerl backen
Und so werden die leckeren Pfennigmuckerl gemacht:
- Den Hefeteig zirka 60 Minuten bei Raumtemperatur aufwärmen
- Frische Hefe in Wasser auflösen und die fertigen Teige hinzugeben
- Mehl mit den Malzen und Kümmelgewürz vermischen, unter die Vorteigmassen rühren und alles gut durchkneten. Das geht am besten mit einer guten Küchenmaschine.
- Salz einarbeiten
- Während der fertige Teig nochmals 30 Minuten ruht, ein Backblech mit Backpapier auslegen
- Die Muckerln zu etwa 60 g mit lockeren Drehbewegungen in einer holen Hand auf der leicht bemehlten Arbeitsfläche formen. Einseitig etwas flach stoßen und zu fünf oder sechs Stück leicht versetzt aneinander gereiht auf das Backpapier legen.
- Damit die Brötchen ihr Volumen vergrößern können, den Teigkugeln nochmals eine Stunde Zeit geben
- Den Backofen erst kurz vor Backbeginn auf 230-250 Grad Celsius vorheizen
- Zum Backen die mit Wasser gefüllte Form auf ein Gitter auf der unteren Einschubleiste stellen und mehrmals mit der Hand Wasser an die Wände und den Boden des Backofens spritzen. Das Einspritzen nennt sich Schwaden.
- Das Backblech mit den Teigkugeln auf mittlerer Schiene einschieben und 25 Minuten backen. Nach 10 Minuten die Feuchtigkeit durch kurzes Lüften ablassen, falls der Ofen nicht über Lüftungsschlitze verfügt.
Gutes Gelingen und viel Genuss bei der anschließenden Brotzeit. Einfach Lecker! :-)
Wissenswertes
- Die Pfennigmuckerl heißen so, weil die kleinen Brötchen zu Urzeiten einen Pfennig gekostet haben und ihre Größe an dem Betrag ausgerichtet wurde.
- Aneinandergebacken zu fünf oder sechs Stück lagen sie einst in jeder Münchner Bäckerei und sahen wie die kleine Raupe Nimmersatt aus.
- Momentan schließen jährlich zirka 400 Bäckereien, das ist mehr als eine pro Tag!
Weitere Backrezepte für ursprüngliches und traditionelles Backen findest du in unseren Buchtipps:
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Kennst du andere aussterbende Brotsorten in deiner Region? Bitte teile deren Namen und die Region in den Kommentaren mit. Falls du auch noch ein Rezept findest, um es vor dem Vergessen zu retten, um so schöner für alle Leser.