Damit foodsharing legal bleibt: Helft mit, die Fair-Teiler zu retten!

Öffentlich zugängliche Regale und Kühlschränke, in denen Menschen kostenlos überschüssige Lebensmittel tauschen und so vor der Mülltonne retten können – klingt doch nach einer wunderbaren Idee! Nicht jedoch in den Augen des Landes Berlin, in dem die Behörden gegen die sogenannten Fair-Teiler der Organisation “foodsharing” vorgehen und ihren Betrieb praktisch unterbinden wollen.
foodsharing mit dem Preis “Zu gut für die Tonne” ausgezeichnet
Besonders widersprüchlich erscheint dieses Vorgehen insbesondere vor dem Hintergrund, dass foodsharing am 13.04. vom Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft der zum ersten Mal verliehene Preis “Zu gut für die Tonne” in der Kategorie “Gesellschaft und Bildung” verliehen wurde.
An den unverhältnismäßig strengen Auflagen für Fair-Teiler ändert das allerdings nichts. Deshalb braucht foodsharing unsere und eure Hilfe! Bereits früher haben wir ausführlich über das Konzept des Lebensmittel-Rettens berichtet. Uns haben viele Zuschriften erreicht mit Fragen, wie jeder mitmachen und helfen kann. Aus diesem Anlass haben wir mit Gerard Roscoe von foodsharing gesprochen. Er erklärt, worum es bei den Fair-Teilern geht und wie ihr sie unterstützen könnt!
foodsharing und viele Unterstützer kämpfen zur Zeit für den Erhalt der sogenannten “Fair-Teiler” – was ist das eigentlich, und wie kann man damit Lebensmittel retten?
Orte, zu denen Lebensmittel gebracht und/oder kostenlos von dort mitgenommen werden dürfen, werden Fair-Teiler genannt. Ein Fair-Teiler besteht entweder aus einem Regal und einem Kühlschrank oder nur einem von beiden. Er kann z.B. privat oder in Räumen der Stadt, der Uni, eines Vereins usw. untergebracht sein. Es ist also ein Übergabeort, an dem die Gemeinschaft der Foodsaver untereinander Nahrungsmittel tauscht.
Da wir Foodsaver oftmals große Mengen an Lebensmitteln ‘retten’ – so richtig versteht man das erst, wenn man es einmal gemacht hat – sind die Fair-Teiler für uns so wichtig, damit wir niedrig-schwellig die Lebensmittel an andere zum Verbrauch weiter geben, verschenken können. Bei unseren Fair-Teilern Lebensmittel zu holen, dazu sind alle Menschen herzlich eingeladen, es braucht keinen irgendwie gearteten Nachweis zu irgendetwas – uns geht es darum, dass die Lebensmittel dem menschlichen Verzehr zugeführt werden und nicht in der Tonne landen.
Worum geht es in der aktuellen Debatte, Fair-Teiler stärker zu regulieren oder sogar zu verbieten?
Unsere Petition richtet sich an die Staatssekretärin Sabine Toepfer-Kataw, Senator Thomas Heilmann, Bezirksstadtrat Dr. Torsten Kühne und die Sprecher*innen für Verbraucherschutz Irene Köhne, Claudio Jupe, Dr. Turgut Altug, Dr. Klaus Lederer, Simon Kowalewski – sie stehen in Berlin auf politischer Seite in der Verantwortung:
„Wir fordern den Erhalt der foodsharing Fair-Teiler und die sofortige Rücknahme der intransparenten und unter grober Missachtung des Verhältnismäßigkeits-Prinzips getroffenen Entscheidung der Berliner Lebensmittelaufsichtsbehörden zur Einordnung unserer privaten Übergabeorte als ‘Lebensmittelbetriebe’! Die damit verbundenen Auflagen zwingen uns zur Schließung unserer öffentlich zugänglichen Fair-Teiler und stehen unserem ehrenamtlichen Engagement, wie auch der erklärten Absicht der Bundesregierung, die Lebensmittelverschwendung deutlich zu reduzieren, grundsätzlich entgegen. Sorgen Sie gegebenenfalls für die Konkretisierung und Differenzierung der Gesetzgebung, wenn in der Hauptstadt im Gegensatz zu anderen Bundesländern keine Ermessensspielräume bestehen. Erarbeiten Sie mit foodsharing zusammen einen Leitfaden, der die Lebensmittelsicherheit im Umgang mit den Fair-Teilern sicherstellt, ohne die Rettung und Weitergabe von Lebensmittel zu erschweren oder zu behindern!“
In der aktuellen Diskussion geht es um Fair-Teiler am Standort Berlin – warum sollten sich auch Menschen aus anderen Bundesländern für dieses Problem interessieren?
Zum einen brauchen wir eine bundesweit einheitliche Regelung (eher sogar eine für ganz Europa, denn das EU-Recht gilt eben überall in Europa), damit sich die Idee der Fair-Teiler verbreiten kann, das jedenfalls ist unser Ziel: jedem Viertel sein Fair-Teiler! Andererseits kommen gerade zu uns in die Hauptstadt sehr viele Journalist_innen und Fernseh-Teams aus der ganzen Welt, um genau über unser sozial innovatives Konzept der Fair-Teiler zu berichten. So gibt es Nachahmer_innen in Süd-Korea, Brasilien, Süd Afrika, Spanien und anderen Ländern aus der Welt. In dem Zusammenhang steht auch das Bemühen, durch die neue Plattform yunity ein ‘open-source-tool’ zur Verfügung zu stellen, damit es überall auf der Welt möglich sein wird, Lebensmittel aber auch andere Ressourcen miteinander zu teilen.
Wie kann jeder mitmachen und dabei helfen, die Fair-Teiler und das gesamte Konzept von foodsharing zu erhalten und auszubauen?
Super wäre natürlich, wenn noch viele Menschen unsere Petition (s.o.) unterschreiben würden. Darüber hinaus gilt natürlich: je mehr Menschen sich aktiv im foodsharing-Netzwerk einbringen, je mehr Lebensmittel können gerettet werden. Inzwischen kommen ja auch Betriebe, die mit Lebensmitteln handeln (z.B. Bäckereien) auf uns zu, fragen uns, ob wir nicht die überschüssigen Waren abholen können und teilweise müssen wir leider ablehnen, weil wir – gerade was Backwaren angeht – nicht mehr wissen, wie wir die Abholungen stemmen sollen und wohin wir die Waren fairteilen sollen. Eine Kooperation mit nur einer Bäckerei bedeutet, dass an jedem Verkaufstag (hier in Berlin ist das manchmal sogar auch der Sonntag) mehrere foodsaver vor Ort sind, um zu retten. Das erfordert viel ehrenamtliches Engagement – natürlich profitieren wir alle, da wir uns ja mit den geretteten Lebensmitteln auch selber versorgen dürfen – und viel organisatorische Arbeit, die erst einmal erledigt sein will… Wir laden also alle herzlich ein, bei uns zu partizipieren!
Eure Vision geht über das aktuelle Konzept hinaus – wie wird sich foodsharing in Zukunft weiterentwickeln?
Als Antwort zu dieser Frage, sende ich vor allem den Link:
https://project.yunity.org/yunity
Ich selber bin nicht in der yunity-Orga, sondern bin Berlin-Botschafter für foodsharing. Auch unser Netzwerk, welches auch weiterhin innerhalb des yunity-Netzwerkes Bestand haben wird, braucht Pflege und Aufmerksamkeit, zumal wir – solange es notwendig sein wird – natürlich auch immer noch mehr Lebensmittel vor der Tonne bewahren wollen. Außerdem sind wir damit beschäftigt, uns mit Initiativen zu vernetzen, die in eine ähnliche Richtung arbeiten wie wir, damit die gesellschaftliche Transformation hin zu weniger Ressourcen-Verbrauch und Nachhaltigkeit an Fahrt gewinnt. Wir versuchen, Bildungs- und Aufklärungsarbeit zu leisten, setzen uns mit anderen Initiativen (Aktion Agrar, Slow Food, BUND-youth) z.B. mit der ‘Aktion Leere Tonne’ dafür ein, dass es demnächst hoffentlich auch bei uns ein Wegwerfstopp für Supermärkte geben wird… Aus unserem Kontext und Selbstverständnis:
„Das Ziel ist weiterhin, medial für mehr Bewusstsein darüber zu sorgen, dass wir alle etwas gegen die Verschwendung von Lebensmitteln tun können, indem wir keine genießbaren Lebensmittel wegwerfen, überschüssiges Essen auf foodsharing.de zur Abholung anbieten, oder Lebensmittel, die kurz vor dem MHD stehen, oder Obst und Gemüse, das nicht mehr so schön aussieht, aber trotzdem noch lecker ist, kaufen. Darüber hinaus kann jeder darauf achten, nur noch Lebensmittelbetriebe aufzusuchen, die den foodsharing-Sticker haben und keine Lebensmittel mehr wegwerfen.“
„Dazu laden wir jeden Betrieb ein, der Lebensmittel produziert, mit ihnen handelt, verarbeitet oder verkauft, Pionier im Kampf gegen die sinnlose Verschwendung zu werden und gemeinsam Geschichte zu schreiben, um ganz nach Gandhi den Wandel zu leben, den wir hier auf Erden sehen wollen, damit die Lebensmittelverschwendung ein Ende hat.“
Wer sind die Köpfe hinter Foodsharing?
Mittlerweile sind über 11.000 engagierte Menschen in Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz akkreditierte Foodsaver. Rund 350 foodsharing-BotschafterInnen koordinieren die Foodsaver-Gruppen in den jeweiligen Regionen, Städten und Bezirken, veranstalten foodsharing-Treffen, öffentliche Events und kümmern sich um bestehende und neue Kooperationen mit Lebensmittelspenderbetrieben. Derzeit kooperiert foodsharing mit über 2.000 Betrieben, darunter führende BiohändlerInnen wie Bio Company und Super Bio Markt, die foodsharing aktiv unterstützen. Täglich finden rund 1.000 Abholungen statt, wodurch bereits 2,6 Mio. kg Lebensmittel gerettet werden konnten und regelmäßig an über 100.000 Menschen verteilt werden. Insgesamt wurden bei den Kooperationspartnern schon über 200.000 Abholungen gemeistert.
Unsere zwei Super-Promis sind Raphael Fellmer, der in seinem Buch “Glücklich ohne Geld!” über seinen 5-jährigen Konsum-Streik berichtet, und Valentin Thurn, der mit seinem 2010 entstanden Dokumentarfilm “Taste the Waste” viel dazu beigetragen hat, das Thema “Lebensmittelverschwendung” ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.
Vielen Dank an Gerard Roscoe von foodsharing für das Interview!
smarticular.net
Vielleicht interessieren dich auch diese Themen: